Interview zum Thema Youth Employment in der Schweiz mit Danica Ravaioli, Head of Human Resources bei The Adecco Group Switzerland.
1.
The Adecco Group hat in diesem Jahr ein White Paper mit dem Titel “The challenge of youth employment“ veröffentlicht. Darin wird aufgezeigt, wie schwierig es für junge Menschen ist, Fuss in der Arbeitswelt zu fassen. Insbesondere in Ländern, die schwer von der letzten Wirtschaftskrise getroffen wurden, haben Schul- und Studienabgänger mit wenig Berufserfahrung Schwierigkeiten beim Berufseinstieg. Dementsprechend hoch sind aktuell die Jugendarbeitslosenzahlen in Ländern wie in Griechenland (44.4%*), Spanien (38.6%*) und Italien (35.5%*).In der Schweiz sieht die Situation anders aus. Mit 3.4%** liegt die Arbeitslosigkeit bei den 15- bis 24-jährigen deutlich unter dem Durchschnitt der EU-Mitgliedsstaaten (18.7%***).
Wie begründen Sie diese vergleichsweise ausserordentliche tiefe Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz?
Da spielen natürlich verschiedene Wirtschaftsfaktoren eine Rolle. Einen Hauptgrund für den grossen Unterschied sehe ich ganz klar in unserem mehrstufig aufgebauten Bildungssystem. Dieses ermöglicht es Jugendlichen eine ihrer Fähigkeiten und Interessen entsprechende Ausbildung zu absolvieren und sich nach Abschluss dieser schnell und vor allem dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzugliedern. In der Schweiz bekommt jede und jeder die Möglichkeit, sich beruflich zu entwickeln. Ob man diesen Weg über eine Berufslehre oder ein Studium einschlägt, muss man selbst entscheiden. Zentral ist, dass die Wertschätzung für die verschiedenen Ausbildungen in der Gesellschaft dieselbe ist, dass also beispielsweise ein eidgenössischer Fachausweis genauso anerkannt ist wie ein Diplom einer höheren Fachschule oder ein Bachelordiplom. Ich bin der Meinung, dass die Schweizer Gesellschaft den Wert dieser mehrstufigen Möglichkeiten zu schätzen weiss, da sich diese auch langfristig bewiesen haben.
2.
Unternehmen sind in der schwierigen Position, dass sie zwar häufig offene Stellen haben, Ihnen jedoch die Kandidaten mit den erforderlichen Fähigkeiten und der nötigen Erfahrung fehlen, um die Vakanzen besetzen können. Was raten Sie den Jugendlichen von heute: welche Berufe sollen diese lernen, um für die Berufswelt der Zukunft bestmöglich gewappnet zu sein?Auf diese Frage gibt es keine abschliessende Antwort, weil enorm viele Faktoren bestimmen, wie die Zukunft der Arbeitswelt aussieht. Eine wichtige Rolle spielt zweifelsohne die Technologie und wie diese sich verändert. Der technologische Fortschritt wird viele Berufe stark verändern oder diese sogar ablösen. Es wird geschätzt, dass sechs von zehn Berufseinsteigern im Jahr 2025 in Berufen arbeiten werden, die es heute noch gar nicht gibt****. Um diese neuen Jobs ausführen zu können, wird man Fähigkeiten brauchen, die es heute vielleicht gar noch nicht gibt. Studien sagen voraus, dass besonders in den Branchen IT, Industrie und Gesundheit viel Potential liegt. Jugendlichen rate ich auf jeden Fall, sich an diesen zukunftsträchtigen Sektoren zu orientieren, sich ständig weiterzubilden sowie an ihren Soft Skills und Sprachkenntnissen zu feilen. Es ist sicher auch eine gute Idee, auf Jobs zu setzen, bei denen sich menschliche Arbeitskraft nur geringfügig durch Roboter ersetzen lässt. Solche wären typischerweise Ärzte und Pflegepersonal, Raumplaner, Elektronikingenieure, Softwareentwickler oder Ingenieurwissenschaftler.
3.
Wieso sind Sozialkompetenzen und Soft Skills so entscheidend im Beruf?Welche sind besonders wichtig, um sich langfristig in der Arbeitswelt behaupten zu können? Sozialkompetenzen und Soft Skills sind in allen Berufsfeldern und Tätigkeiten sehr wichtig, weil sie den Menschen von der Maschine unterscheidet und nicht von einem Computer oder Roboter ersetzt werden können. Entscheidend sind Kompetenzen wie Kreativität, emotionale Intelligenz und Teamfähigkeit. Wer ausserdem «out of the box», d.h. ausserhalb von Konventionen und Standards denkt, hat einen klaren Vorteil gegenüber Mitbewerbern. Bildung ist ein Prozess, der nie abgeschlossen ist. Weiterbildung ist in dieser sich rasend entwickelnden Welt essentiell. Heute muss man dazu bereit sein, sich ein Leben lang weiterzubilden, um stets auf dem neusten Stand seines Fach-/Arbeitsgebietes zu bleiben.
4.
Welches sind konkrete Bestrebungen von The Adecco Group, um Jugendlichen den Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen?The Adecco Group hat sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene diverse Initiativen und Programme, um jungen Menschen den Berufseinstieg zu ermöglichen oder zu vereinfachen. Unsere grösste Initiative in diesem Bereich ist Way to Work. Nebst dem dass jedes Jahr mehrere Lernende bei uns ihre Berufslehre (oder einen Teil davon) absolvieren, haben wir uns dazu verschrieben, intern möglichst viele Praktikumsplätze, so genannte Internship Opportunities, zu schaffen. Gleichzeitig motivieren wir unsere Kunden, dies ebenfalls zu tun und unterstützen sie in der Praktikantensuche. Zudem organisieren wir mit dem Experience Work Day einen Tag der offenen Tür, an dem Jugendliche einen Tag lang in verschiedene Positionen bei der Adecco Group schnuppern können. Somit lernen sie neue Jobprofile kennen und sehen die Fülle an unterschiedlichen Stellen in einem Unternehmen wie unserem. Der grösste Teil von Way to Work ist unser Projekt CEO for One Month, auf das wir sehr stolz sind. Wir suchen jedes Jahr eine(n) Praktikanten/in auf Geschäftsleitungsstufe. Unser/e CEO für einen Monat begleitet Nicole Burth, CEO von The Adecco Group Switzerland, vier Wochen lang bei sämtlichen Aufgaben und Terminen. So erhält er/sie einen Einblick in den Alltag eines/r Geschäftsführer/in – ein Chance, die man so schnell nicht wieder bekommt und ein echtes Sprungbrett für die eigene Karriere.
5.
Wie wollen Junge heute arbeiten? Wie verändern sich die Bedürfnisse in Bezug auf die Arbeitsweise künftig?Durch die «Hyper Connectivity» werden Mitarbeitende immer unabhängiger und wollen selber bestimmen, wann und wo sie arbeiten. Junge Menschen sind mobil und streben internationale Karrieren an. Sie sind in einem volatilen Zeitalter aufgewachsen, d.h. Karrieresicherheit hat für sie einen höheren Stellenwert als Jobsicherheit. Auch die so genannte «Uberisierung» der Arbeit ist ein Phänomen, das immer häufiger zu beobachten ist. Dies bedeutet, dass Arbeitnehmer zunehmend zu Auftragnehmern («Contractors») werden, oft spezialisiert auf einzelne Aufgaben. Temporäre, projektbezogene Einsätze werden immer häufiger, während der Job fürs ganze Leben langsam verschwindet. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man Experte auf seinem Fachgebiet ist. Dies bedingt eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung. Ein Leben lang.
Quellenverweis
* Statista – Youth unemployment rate in Europe (EU member states) as of July 2017
** SECO – Die Lage auf dem Arbeitsmarkt 2017
*** Eurostat – Unemployment statistics (data up to August 2017)
**** WEF 2016 – The future of jobs